Abgabe und Zugang einer Willenserklärung
Bei der Willenserklärung sind mehrere Stadien zu beachten, bis diese tatsächlich und im Rechtsverkehr Wirkung entfaltet. Von der Bildung des Willens, bis zu seiner Erklärung, der Abgabe und bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen auch der Zugang sind die einzelnen Phasen streng zu trennen. Entscheidend für den Rechtsverkehr ist letzten Endes nur der gewollte und auch geäußerte Inhalt einer Erklärung. Wurde vom Rechtssubjekt ein Wille gebildet und auch geäußert, so stellt sich die Frage, wann diese Willenserklärung auch wirksam wird. Hierfür entscheidend sind die Zeitpunkte der Abgabe und des Zugangs einer Willenserklärung.
Abgabe Willenserklärung Definition
Die Abgabe ist gesetzlich nicht definiert. Sie findet lediglich in § 130 I 1 BGB als Tatbestandsmerkmal Erwähnung. Die Definition wurde daher erst im Rahmen der Dogmatik von Rechtsprechung und Lehre entwickelt.
Die Abgabe einer Willenserklärung ist allgemein die willentliche Entäußerung der Willenserklärung in den Rechtsverkehr durch den Absender und Erklärenden.
Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen kommt zusätzlich hinzu, dass der Absender die Willenserklärung in Richtung des Empfängers entäußert. An einer willentlichen Entäußerung fehlt es beispielsweise bei den sogenannten abhanden gekommenen Willenserklärungen.
Zugang Willenserklärung Definition
Der Zugang ist gesetzlich nicht definiert. Er findet lediglich in § 130 I 1 BGB als Tatbestandsmerkmal Erwähnung. Die Definition wurde daher erst im Rahmen der Dogmatik von Rechtsprechung und Lehre entwickelt.
Der Zugang einer Willenserklärung liegt dann vor, wenn die Willenserklärung in den Herrschaftsbereich des Adressaten und Empfängers gelangt und unter Zugrundelegung verkehrsüblicher Verhältnisse mit ihrer Kenntnisnahme zu rechnen ist.
Aus der Definition wird ersichtlich, dass eine tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger der Willenserklärung für den Zugang nicht erforderlich ist.
Zugang Willenserklärung Beispiel
Arbeitnehmer A befindet sich im Urlaub. Während dieser Zeit schickt ihm sein Arbeitgeber per Post die Kündigung des Arbeitsvertrages. Aufgrund seines Urlaubs bekommt der A zunächst für drei Wochen von der Kündigung nichts mit.
Die Kündigung ist hier trotz fehlender Kenntnis des A zugegangen. Dies ergibt sich bereits aus der Definition des Zugangs einer Willenserklärung. Die Kündigung ist mit dem Einwurf in den Briefkasten des A in dessen Herrschaftsbereich gelangt. In dem Zeitpunkt, in welchem verkehrsüblicherweise mit der Kenntnisnahme durch A gerechnet werden kann, liegt der Zugang der Kündigung vor.
Die Urlaubsabwesenheit des A spielt hierfür keine Rolle. Verkehrsüblicherweise wird ein Briefkasten einmal pro Tag zu einer bestimmten Uhrzeit geleert und die Post dann gelesen. Ab diesem Zeitpunkt ist die Kündigung zugegangen. Die fehlende tatsächliche Kenntnis des A spielt hier keine Rolle. Dies gilt sogar dann, wenn dem Arbeitgeber die Abwesenheit des A bekannt war.
Nur ausnahmsweise können sich im Einzelfall aus § 242 BGB und den besonderen Umständen des Einzelfalles andere Bewertungen ergeben, die dieses grundsätzliche Ergebnis in Frage stellen und ein anderes Ergebnis rechtfertigen.
Relevanz von Abgabe und Zugang für die Wirksamkeit einer Willenserklärung
Willenserklärungen sind Tatbestände, die auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet sind. Fraglich ist daher, wann sie diese Rechtsfolge dann letzten Endes auch herbeiführen, also wirksam werden.
Abgabe und Zugang sind Wirksamkeitsvoraussetzungen für Willenserklärungen.
Die Abgabe genügt für nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen wie dem Testament, der Zugang ist zusätzlich bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen notwendig. Ab dem Zeitpunkt von Abgabe bzw. Abgabe und Zugang treten damit Rechtsfolgen ein. Dabei wird geklärt, ob die Willenserklärung rechtzeitig abgegeben wurde, welcher Vertragspartner das Risiko einer falschen Übermittlung tragen muss und ob und bis zu welchem Zeitpunkt die Willenserklärung noch widerrufen werden kann. Hierbei sind die Regelungen zu Abgabe und Zugang in § 130 BGB nicht vollständig.
Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden
§ 130 I 1 BGB normiert die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Willenserklärung unter Abwesenden. Eine empfangsbedürftige Willenserklärung wird danach in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht.
Gemäß § 130 I 2 BGB wird die Willenserklärung trotz des Zugangs nicht wirksam, wenn dem Adressaten vor dem Zugang oder jedenfalls gleichzeitig ein Widerruf zugeht.
Zugang unter Anwesenden
Für die Frage des Wirksamwerdens und damit des Zugangs einer Willenserklärung unter Anwesenden gibt es keine gesetzliche Regelung.
Die Dogmatik behilft sich zur Schließung dieser Gesetzeslücke mit einer Analogie zu § 130 I 1 BGB. Dabei ist zwischen verkörperten und mündlichen Willenserklärungen zu unterscheiden.
Eine verkörperte Willenserklärung, z. B. in Form eines Briefes, wird demnach dann wirksam, wenn sie dem Empfänger übergeben wird.
Eine mündliche Willenserklärung dagegen wird wirksam, wenn der Erklärende damit rechnen konnte und durfte, dass seine Willenserklärung vom Empfänger akustisch und inhaltlich richtig und vollständig verstanden wurde; so jedenfalls die herrschende eingeschränkte Vernehmungstheorie.
Nach der strengen Vernehmungstheorie ist die mündliche Willenserklärung erst dann zugegangen, wenn der Empfänger sie richtig und vollständig verstanden hat.
Bei Willenserklärungen, die weder verkörpert noch akustisch geäußert werden, kommt es auf den Einzelfall an. Beispielsweise kann bei einer konkludenten Willenserklärung durch ein bestimmtes Verhalten auf die vollständige visuelle Wahrnehmung und inhaltliche Erfassung abgestellt werden.
Wirksamkeit bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen
Willenserklärungen, die lediglich einer Abgabe, aber keines Zugangs bedürfen, werden alleine durch die Abgabe in den Rechtsverkehr wirksam. Der Erklärende bildet hier also zunächst den Willen, erklärt diesen Willen und gibt diesen in den Rechtsverkehr ab. In diesem Zeitpunkt tritt damit die Wirksamkeit ein. Auf die Wahrnehmung durch eine bestimmte Person kommt es in diesen Fällen nicht an.
Beispiel hierfür sind das Testament gemäß § 2064 bis 2273 BGB BGB und die Auslobung gemäß §§ 657 bis 661a BGB.
Weitere Begriffsbestimmungen der Jura Ghostwriter für die Hausarbeit wie die zur Abgabe finden Sie hier.