12. April 2019

Probleme des subjektiven Tatbestandes einer Willenserklärung und ihre Lösung

In der zivilrechtlichen Hausarbeit zum BGB AT tauchen regelmäßig Problemkonstellationen im Bereich des subjektiven Tatbestandes der Willenserklärung auf. Die prüfungsrelevanten Probleme und ihre gelungene Lösung erfahren Sie hier von Jura Ghostwriter.


Fehler im subjektiven Tatbestand der Willenserklärung - Um was geht es


Die Willenserklärung besteht aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand. Solange sich objektiv Erklärtes und subjektiv Gewolltes decken, ist alles in Ordnung. Problematisch wird es aber, wenn objektiv Erklärtes und subjektiv Gewolltes des Erklärenden nicht übereinstimmen. Da der subjektive Tatbestand aus Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille besteht, gibt es drei grundsätzliche Problemkonstellationen. Schauen wir uns an, wie diese in der Hausarbeit aufgelöst werden.


Fehler im subjektiven Tatbestand der Willenserklärung - Der Handlungswille fehlt


Der Handlungswille bezeichnet die voluntative Kontrolle des Verhaltens, das eine Willenserklärung darstellt. Er fehlt immer dann, wenn das Verhalten, welches objektiv im Rechtsverkehr als Willenserklärung verstanden wird, nicht willensgesteuert ist. Klassische Beispiele für den fehlenden Handlungswillen sind Reflexbewegungen des Körpers, Bewegungen oder Sprechen im Schlaf oder auch Handlungen unter Hypnose.

Der Handlungswille ist ein konstitutives Tatbestandsmerkmal der Willenserklärung. Fehlt er, so liegt keine Willenserklärung vor. Manche sprechen auch von der Nichtigkeit der Willenserklärung. Der objektiv gesetzte Erklärungstatbestand ohne Handlungswillen ist also ein rechtliches nullum. Die dogmatische Begründung für dieses Ergebnis stützt sich auf eine Analogie zu § 105 II BGB.

§ 105 BGB normiert die Nichtigkeit einer Willenserklärung. Gemäß § 105 II BGB ist eine Willenserklärung nichtig, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird.

Über die Analogie zu § 105 II BGB stellt man die Willenserklärung ohne Handlungswillen also einer Willenserklärung in Tatbestand und Rechtsfolge gleich, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit abgegeben wurde.

Achtung: Automatismen zählen zum willensgesteuerten Verhalten und sind etwas anderes als Reflexe. Klassisches Beispiel sind Reaktionen von Boxern. Man spricht in der Regel bei Boxern von guten Reflexen. Juristisch gesehen sind hier aber Automatismen gemeint, da die Abwehrbewegungen und Ausweichbewegungen im Boxsport keine natürlich angeborenen Reflexe, sondern antrainierte Reflexe, also Automatismen darstellen.


Fehler im subjektiven Tatbestand der Willenserklärung - Das Erklärungsbewusstsein fehlt


Das Erklärungsbewusstsein ist das Wissen des Handelnden darum, dass sein Verhalten abstrakt gesehen irgendeine rechtliche Relevanz und Bedeutung hat.

Klassischer Beispielsfall für ein Fehlen des Erklärungsbewusstseins ist der Trierer Weinversteigerungsfall. Hier befand sich jemand auf einer Versteigerung und sah dort einen Freund, den er mit Handheben und Winken begrüßte. Der Versteigerer interpretierte dieses Verhalten als Abgabe eines Gebotes und erteilte ihm den Zuschlag. Das Problem bestand darin, dass der Winkende wohl nicht wusste, dass sein Handheben in dieser Situation als Willenserklärung interpretiert wird.

Es ist umstritten, welche Rechtsfolge eintritt, wenn das Erklärungsbewusstsein als subjektive Tatbestandsvoraussetzung der Willenserklärung fehlt. Im Wesentlichen werden zwei anerkannte Theorien zur Lösung vertreten.


Das Erklärungsbewusstsein fehlt - Die Willenstheorie


Die Willenstheorie hält das Erklärungsbewusstsein für einen notwendigen Bestandteil einer Willenserklärung. Folglich liegt nach der Willenstheorie bei Fehlen des Erklärungsbewusstseins keine Willenserklärung vor; jedenfalls soll sie nichtig sein. Die Begründung für ihre Auffassung sieht die Willenstheorie in einer Analogie zu § 118 BGB.

§ 118 BGB normiert den Mangel der Ernstlichkeit bei Abgabe einer Willenserklärung. Eine nicht ernstlich gemeinte Willenserklärung, die in der Erwartung abgegeben wird, dass der Mangel der Ernstlichkeit nicht verkannt wird, ist gemäß § 118 BGB nichtig.

Wenn also eine Willenserklärung schon bei bewusster Nichternstlichkeit nichtig ist, dann nach der Willenstheorie erst recht bei fahrlässiger und unbewusster Nichternstlichkeit.

Die Willenstheorie schützt den Erklärenden, vernachlässigt aber den Schutz des Erklärungsempfängers. Immerhin muss der Erklärende aber gemäß § 122 BGB dem Erklärungsempfänger den Vertrauensschaden ersetzen.


Das Erklärungsbewusstsein fehlt - die Erklärungstheorie


Die andere Auffassung ist die Erklärungstheorie. Diese lässt potentielles Erklärungsbewusstsein genügen. Nach der Erklärungstheorie ist das Erklärungsbewusstsein kein notwendiger, man sagt auch konstitutiver, Bestandteil einer Willenserklärung. Trotz fehlendem Erklärungsbewusstsein liegt nach der Erklärungstheorie immer dann ein wirksamer subjektiver Tatbestand einer Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Beachtung der im jeweiligen Verkehrskreis erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass sein Verhalten objektiv als rechtlich relevantes Verhaltens interpretiert wird und der Erklärungsempfänger dieses Verhalten des Erklärenden auch als rechtlich bedeutsame Willenserklärung verstanden hat und auch so verstehen durfte.

Die Erklärungstheorie schützt damit das Vertrauen des Rechtsverkehrs und das Vertrauen des Erklärungsempfängers in den objektiven Bedeutungsgehalt des Verhaltens des Erklärenden. Die Erklärungstheorie nimmt den Erklärenden in die Verantwortung und legt ihm die von ihm an den Tag gelegte Erklärungsfahrlässigkeit durch den Bestand der unbewussten Willenserklärung zur Last. Der Erklärende trägt damit das Erklärungsrisiko, nicht der Erklärungsempfänger, wie bei der Willenstheorie.

Da sich die Erklärungstheorie aber um einen Interessenausgleich zwischen Erklärendem und Erklärungsempfänger bemüht und nicht einseitig zu Lasten des Erklärenden entscheiden will, gibt sie ihm die Möglichkeit, sich per Anfechtung gemäß § 119 I Alt. 2 BGB analog von der unbewussten und damit auch ungewollten Willenserklärung zu lösen.

§ 119 BGB normiert die Anfechtbarkeit einer Willenserklärung wegen Irrtums. § 119 I Alt. 2 BGB regelt dabei den sogenannten Erklärungsirrtum. Ein solcher liegt vor, wenn der Erklärende einen Erklärungstatbestand setzt, den er überhaupt nicht setzen wollte. Klassische Beispiele sind das Versprechen oder Verschreiben. Der Erklärende erklärt also unbewusst objektiv etwas anderes, als er subjektiv erklären will.

Die Erklärungstheorie sieht beim Fehlen des Erklärungsbewusstseins eine parallele Situation zum Erklärungsirrtum und gewährt deshalb analog hierzu eine Anfechtungsmöglichkeit. Der ohne Erklärungsbewusstsein Handelnde muss dabei natürlich gemäß § 121 I BGB analog die Anfechtungsfrist beachten und, das ist der Haken, auch gemäß § 122 BGB dem Erklärungsempfänger den Vertrauensschaden in Form des negativen Interesses ersetzen. Das ist der Preis für die Möglichkeit der Anfechtung und sorgt wiederum für den gebotenen Interessenausgleich, um den die Erklärungstheorie bemüht ist.


Stellungnahme zum Streit


Der Erklärungstheorie ist heutzutage in der Regel zu folgen; nicht nur, weil sie der herrschenden Meinung entspricht. Sie bemüht sich einfach um einen gelungenen Interessenausgleich. Beide Auffassungen gewähren Ersatz des Vertrauensschadens gemäß § 122 BGB.


Und wann wird im Ergebnis also dieser Streit wirklich relevant?


Dann, wenn die Anfechtungsfrist gemäß § 121 I BGB bereits abgelaufen ist.

Nach der Willenstheorie liegt beim fehlenden Erklärungsbewusstsein schon keine Willenserklärung vor, so dass es auch keiner Anfechtung bedarf.

Bei der Erklärungstheorie ist die Willenserklärung nicht nichtig, sondern nur vernichtbar. Versäumt der Erklärende die Anfechtungsfrist, kann er sich nicht mehr von der Willenserklärung lösen. In diesen Fällen kommen die beiden Auffassungen zu unterschiedlichen Ergebnissen und nur dann ist eine Streitentscheidung auch notwendig.


Fehler im subjektiven Tatbestand der Willenserklärung - Der Geschäftswille fehlt


Der Geschäftswille normiert subjektiv die voluntative Konkretisierung des konkreten Rechtsbindungswillens aus dem objektiven Tatbestand.

Während das Erklärungsbewusstsein lediglich voraussetzt, dass der Handelnde sich abstrakt der rechtlichen Relevanz seines Handelns bewusst ist, wird beim Geschäftswille diese abstrakte rechtliche Relevanz konkretisiert.

Mittels des Geschäftswillens wird klar, welches konkrete Rechtsgeschäft der Erklärende vornehmen will, also beispielsweise den Abschluss eines Kaufvertrages mit einer konkreten Person über ein Smartphone zu einem bestimmten Preis.

Der Geschäftswille ist nicht konstitutiver, also notwendiger Bestandteil der Willenserklärung. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu den Anfechtungsregeln gemäß §§ 119 ff. BGB. Fehlt der Geschäftswille, so kann der Erklärende die Willenserklärung anfechten. Wäre der Geschäftswille notwendiger Bestandteil der Willenserklärung, dann läge bei seinem Fehlen keine Willenserklärung beziehungsweise keine wirksame Willenserklärung vor. Dann aber wäre eine Anfechtung überflüssig. Damit wären auch die Anfechtungsregeln überflüssig.

Der Erklärende kann bei Fehlen des Geschäftswillens seine Willenserklärung anfechten, muss allerdings auch hier wieder die Anfechtungsfrist des § 121 BGB beachten und dem Erklärungsempfänger den Vertrauensschaden gemäß § 122 BGB ersetzen.

Weitere Fragen zum Wissenstraining der Jura Ghostwriter wie die zum Problem des fehlenden Erklärungsbewusstseins für Ihre Hausarbeit zum BGB AT und Zivilrecht finden Sie hier.

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