Überbau - Einführungsfall
Nachbar N baut auf seinem Grundstück ein neues Haus. Infolge leichter Fahrlässigkeit beachtet er nicht die Grundstücksgrenze des E und baut sein Haus zu einem kleinen Teil auf das Grundstück des E. E nimmt dies zunächst widerspruchslos hin.
Überbau - Definition
Ein Überbau liegt vor, wenn ein Grundstückseigentümer bei der Errichtung eines Gebäudes über die eigene Grundstücksgrenze baut, so dass ein, wenn auch nur kleiner, Teil auf einem Nachbargrundstück steht.
Überbau - Gesetzliche Grundlage
Gesetzliche Grundlage für den Überbau ist § 912 BGB. § 912 BGB normiert den Überbau sowie die Duldungspflicht.
Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit, also leicht fahrlässig, über die eigene Grenze gebaut, so hat der Grundstücksnachbar und Eigentümer des Nachbargrundstücks gemäß § 912 I BGB den Überbau zu dulden.
Dies gilt nur dann nicht, wenn der Grundstücksnachbar vor oder sofort nach der grenzüberschreitenden Bebauung Widerspruch erhoben hat.
Gemäß § 912 II 1 BGB ist der Nachbar und Eigentümer des überbauten Grundstücks mit einer Geldrente zu entschädigen. Für die Höhe dieser Geldrente ist gemäß § 912 II 2 BGB die Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend.
Überbau - Grundsätzliche Einordnung nach den allgemeinen Vorschriften
Kommt es zu einem Überbau, so würde der Eigentümer des überbauten Grundstücks eigentlich wegen §§ 93, 94, 946 BGB Eigentümer des auf seinem Grundstück gebauten Gebäudes. Als Eigentümer könnte er dann vom überbauenden Nachbarn gemäß § 1004 I BGB Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Auch ein Ausgleichsanspruch gemäß § 906 II 2 BGB (analog) käme grundsätzlich in Betracht. Deliktsrechtlich wäre wegen der Eigentumsverletzung an einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 I BGB zu denken.
Die gesetzliche Privilegierung des lediglich leicht fahrlässig handelnden Nachbarn führt aber zu einer wertungsmäßig bedingten Sonderregelung. Es ist ihm nach dem gesetzlichen Leitbild nicht zuzumuten, den Überbau abzureißen und die in der Regel damit einhergehende Zerstörung des restlichen Gebäudes hinzunehmen.
Überbau - Duldungspflicht des Nachbarn gemäß § 912 BGB
In Abweichung der oben beschriebenen allgemeinen Rechtslage hat der Gesetzgeber für einen gerechten Interessenausgleich die Spezialvorschriften zum Überbau im Nachbarrecht geschaffen. Der Nachbar hat damit eine Duldungspflicht bezüglich des Überbaus, wenn er dem Überbau nicht vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung widersprochen hat.
§ 912 BGB geht vom rechtswidrigen, aber entschuldigten Überbau aus. Für das Verschulden Dritter wird nach herrschender Meinung auf § 166 BGB analog abgestellt; beispielsweise das Verschulden eines Architekten. Andere Auffassungen wollen auf § 278 BGB oder § 831 BGB abstellen.
Für einen rechtswidrigen und verschuldeten Überbau haftet der Überbauende voll, da er nicht schutzwürdig ist. Ein solcher Überbau liegt vor, wenn dem Überbauenden Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt oder aber er trotz Widerspruch des Nachbarn über die Grenze baut. Dann ist für die Privilegierung des § 912 BGB kein Raum.
Überbau - Ausgleichspflicht durch Überbaurente
Als Entschädigung für den rechtswidrigen Überbau hat der Überbauende seinem Grundstücksnachbarn gemäß § 912 II BGB eine Überbaurente zu bezahlen.
§ 913 BGB normiert Vorschriften zur Zahlung dieser Überbaurente. Gemäß § 913 I BGB ist die Rente dem jeweiligen Eigentümer des überbauten Nachbargrundstücks von dem jeweiligen Eigentümer des überbauenden Grundstücks zu bezahlen; und zwar gemäß § 913 II BGB jährlich im Voraus.
Als Sonderregelung schließt die Zahlung der Geldrente Ausgleichsansprüche gemäß § 906 II 2 BGB oder Schadensersatzansprüche gemäß § 823 I BGB gegen den Überbauenden wegen des Nutzungsverlustes aus. Weitere Ansprüche wegen Eigentumsverletzungen oder der Verletzung anderer Rechte werden aber durch die Überbaurente nicht ausgeschlossen.
Überbau - Fazit und Learning
Die Regelungen zum Überbau gemäß §§ 912 bis 916 BGB betreffen den rechtswidrigen Überbau. Bedenken Sie in der Hausarbeit, dass der Überbau nur entschuldigt, nicht aber berechtigt ist. Der Überbau bleibt rechtswidrig, mit allen damit einhergehenden weiteren Rechtsfolgen.
Ist der Überbau zusätzlich noch wegen Vorsatz, grober Fahrlässigkeit oder dem Widerspruch des Nachbarn unentschuldigt, so haftet der Nachbar voll nach den allgemeinen Vorschriften.
Andererseits kann der Eigentümer dem Überbau auch rechtsgeschäftlich zustimmen. Damit wird aus dem rechtswidrigen Überbau ein rechtmäßiger Überbau. Die Zustimmung durch den Nachbarn ist dabei grundsätzlich formfrei möglich. In diesem Zusammenhang müssen Sie in der Hausarbeit darauf achten, dass das bloße Unterlassen noch keine Zustimmung zum Überbau darstellt. Denken Sie dabei daran, dass bloßes Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert hat.
Eine konkludente Zustimmung gemäß §§ 133, 157 BGB ist aber möglich. Stimmt der Nachbar zu, so ergibt sich als Rechtsfolge hieraus eine Duldungspflicht des Nachbarn alleine schon aus seiner Zustimmung und damit aus Rechtsgeschäft.
Fraglich ist dann, ob es dennoch zu einer Entschädigung des Nachbarn kommen soll. Diese kann zunächst im Wege der Privatautonomie rechtsgeschäftlich zwischen den Nachbarn ausgehandelt werden. Fehlt eine solche Vereinbarung, so muss durch Auslegung des Verhaltens der Nachbarn gemäß §§ 133, 157, 242 BGB ermittelt werden, ob ein Verzicht auf eine Entschädigung gewollt ist oder aber eine Entschädigung gemäß § 912 II BGB analog erfolgen soll beziehungsweise angemessen ist.
Weitere Erklärungen zum Wissenstraining der Jura Ghostwriter wie die zum Überbau gemäß § 912 ff. BGB für Ihre Hausarbeit zum Immobiliarsachenrecht finden Sie hier.
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