1. Januar 2019

Erbenbesitz gemäß § 857 BGB in der Hausarbeit

Erbenbesitz gemäß § 857 BGB ist typisch für die Hausarbeit im Erbrecht. Die Jura Ghostwriter erklären hier die Basics für die Hausarbeit zum Erbenbesitz.



Erbenbesitz - Um was geht es


Der Erbenbesitz ist in § 857 BGB gesetzlich geregelt. § 857 BGB normiert die Vererblichkeit des Besitzes. § 857 BGB ist neben § 1922 BGB notwendig, da § 1922 BGB die Nachfolge des oder der Erben in die Rechtsstellung des Erblassers regelt, nicht aber in tatsächliche Positionen. Besitz ist kein Recht, sondern eine tatsächliche Position mit rechtlicher Wirkung. Daher ist der Übergang des Besitzes auf den oder die Erben von § 1922 BGB nicht erfasst.

Gemäß § 857 BGB geht der Besitz auf den Erben über. Damit übernimmt der Erbe diejenige Besitzerstellung und Besitzposition, die der Erblasser bezüglich einer Sache innehatte. War beispielsweise der Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalles unmittelbarer Besitzer gemäß § 854 BGB, mittelbarer Besitzer gemäß § 868 BGB, Eigenbesitzer gemäß § 872 BGB, Fremdbesitzer, Mitbesitzer gemäß § 866 BGB oder Teilbesitzer gemäß § 865 BGB, so rückt der Erbe in diese Position ein. Allerdings ist zu beachten, dass dieser Erbenbesitz in der Regel eine bloße erbrechtliche und sachenrechtliche Fiktion darstellt, da der Erbe in den meisten Fällen nicht die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, um die echte Besitzposition des Erblassers einzunehmen.

Beispiel

A in Berlin stirbt und hinterlässt in seinem unmittelbaren Besitz sein Smartphone, das neben seinem Bett liegt. Sein Erbe E in Hamburg erbt den unmittelbaren Eigenbesitz des A im Sinne des § 854 BGB i.V.m. § 857 BGB. Hier wird die Fiktion deutlich, da E keinen unmittelbaren Besitz an dem Smartphone hat.


Erbenbesitz - Dogmatische Einordnung


Aufgrund der oben aufgezeigten Besonderheiten gestaltet sich die dogmatische Einordnung des Erbenbesitzes schwierig. Die heute herrschende Meinung ordnet den Erbenbesitz als Rechtsfolgenzuordnung ein. Besitz im Sinne des § 857 BGB ist demnach nicht die tatsächliche Herrschaft über eine Sache, sondern eine Rechtsposition.


Erbenbesitz - Ratio legis


§ 857 BGB bezweckt den Schutz des Erben und des Nachlasses als gesamte Vermögenseinheit. Der Erbe soll genau in die Vermögens-, Rechts- und Besitzstellung eintreten, die der Erblasser hinterlassen hat. Eine Veränderung dieser Position oder eine Gefahr zum Nachteil des Nachlasses und des Erben soll verhindert werden.

Der Erbenbesitz ist deshalb als Regelung auch notwendig, da der Erbe in der Regel zum Zeitpunkt des Erbfalles nicht vor Ort sein wird und somit keine tatsächliche Kontrolle über den Nachlass ausüben kann. Dies ergibt sich sowohl aus den objektiven räumlichen Gegebenheiten als auch aus der Tatsache, dass der Erbe subjektiv nicht immer sofort weiß und wissen kann, dass er Erbe ist.

Zur Erinnerung: Besitz ist die tatsächliche Sachherrschaft, getragen vom Sachherrschaftswillen, unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung.


Wie der Fall oben sehr gut aufzeigt, wäre der Erbe ohne die Regelungen zum Erbenbesitz hinsichtlich des Besitzschutzes schutzlos gestellt. Er könnte sich weder einer verbotenen Eigenmacht im Sinne des § 858 BGB erwehren noch einen gutgläubigen Erwerb durch einen Scheinerben verhindern. Ohne den Erbenbesitz stünde der Erbe zunächst besitzlos. Die Besitzschutzvorschriften und auch § 935 BGB würden dann nicht greifen. Dies wäre eine erhebliche Gefahr für die Rechte des Erben und den Nachlass.


Erbenbesitz - Beispielsfall


Erblasser E in Düsseldorf setzt seine Tochter T in Köln zur testamentarischen Alleinerbin ein. Als E stirbt, veräußert seine Lebensgefährtin L unbefugt das zum Nachlass gehörende Smartphone des E an den Käufer K. Fraglich ist, ob die T als Alleinerbin von K die Hausgabe des Smartphones verlangen kann. Und wie ist der Fall zu beurteilen, wenn die L einen Erbschein hatte, der sie als Erbin ausweist?

T könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Smartphones aus § 985 BGB haben.

K hat unmittelbaren Besitz an dem Smartphone im Sinne des § 854 BGB.

Die T müsste Eigentümerin des Smartphones sein. Ursprünglich war der Erblasser E Eigentümer des Smartphones. Mit dem Erbfall ging das Eigentum gemäß § 1922 I BGB auf die Alleinerbin T über.

T könnte durch die Veräußerung des Smartphones von L an K im Wege des gutgläubigen Erwerbs gemäß §§ 929, 932 BGB das Eigentum an dem Smartphone wieder verloren haben. Gutgläubiger Erwerb scheidet gemäß § 935 BGB aus, wenn das Smartphone der T als Eigentümerin abhanden kam. Ein Abhandenkommen liegt vor, wenn der unmittelbare Besitzer im Sinne des § 854 BGB seinen unmittelbaren Besitz unfreiwillig verliert. Mit dem Erbfall trat die T in die Besitzposition des Erblassers E ein. Zum Zeitpunkt des Erbfalles hatte E unmittelbaren Besitz im Sinne des § 854 BGB an dem Smartphone. Damit trat die T als Erbin gemäß § 857 BGB in diese Besitzposition ein und wurde fiktive unmittelbare Besitzerin im Sinne der §§ 857, 854 BGB. Die Veräußerung des Smartphones durch L führte zum unfreiwilligen Verlust des unmittelbaren Besitzes der T gemäß § 935 BGB. Damit kam das Smartphone abhanden.

Ein gutgläubiger Erwerb des Smartphones war ausgeschlossen. K konnte kein Eigentum am Smartphone erwerben. Die T ist Eigentümerin des Smartphones.

K hat auch ein Recht zum Besitz. Insbesondere ergibt sich aus dem Kaufvertrag zwischen L und K kein Recht gegenüber T, da der Kaufvertrag nur relative Wirkung zwischen den Kaufvertragsparteien entfaltet.

T kann daher von K die Herausgabe des Smartphones verlangen.

Weitere Anspruchsgrundlagen wie §§ 861, 1007, 812 BGB wären in der Hausarbeit grundsätzlich zu prüfen.

In der Abwandlung gestaltet sich die Lösung anders. § 2366 BGB bewirkt, dass der Erwerb vom Scheinerben genauso bewertet wird wie der Erwerb vom Erben. Der gutgläubige K wird deshalb gemäß § 2366 BGB so behandelt, als habe er von der T das Smartphone erworben. Im Verhältnis zwischen K und T wäre der § 935 BGB aber nicht anwendbar. Damit wurde K gemäß § 929 BGB i.V.m. § 2366 BGB Eigentümer des Smartphones. Ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB der T gegen K ist unbegründet.

Weitere Erklärungen der Jura Ghostwriter für die Hausarbeit im Erbrecht findest Du hier.

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