25. Juli 2018

Geheimer Vorbehalt

Geheimer Vorbehalt - Einführung


Im Rechtsverkehr gibt es Situationen, in denen eine Person im Außenverhältnis den objektiven Tatbestand einer Willenserklärung in den Rechtsverkehr entsendet, obwohl diese Person subjektiv keinen Geschäftswillen diesbezüglich hat.

Die Motive für so ein Verhalten sind unterschiedlicher Natur und grundsätzlich irrelevant. Da die Person den inneren Vorbehalt, die Willenserklärung subjektiv nicht zu wollen, nicht kundgibt, spricht man vom Tatbestand eines geheimen Vorbehaltes. Man bezeichnet solche Tatbestände auch als Mentalreservation oder auch "reservatio mentalis".


Geheimer Vorbehalt - Definition


Ein geheimer Vorbehalt liegt dann vor, wenn der Erklärende den objektiven Tatbestand einer Willenserklärung in den Rechtsverkehr entsendet, obwohl er subjektiv insgeheim den objektiv erklärten konkreten Rechtsbindungswillen nicht hat.


Geheimer Vorbehalt - Gesetzliche Grundlage


Gesetzliche Grundlage der Mentalreservation ist § 116 BGB. § 116 BGB normiert den geheimen Vorbehalt. Gemäß § 116 S. 1 BGB ist eine Willenserklärung nicht deshalb unwirksam, weil sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen.

Eine Willenserklärung im Sinne des § 116 S. 1 BGB ist gemäß § 116 S. 2 BGB dann nichtig, wenn sie empfangsbedürftig ist und der Empfänger den Vorbehalt kennt.


Geheimer Vorbehalt - Ratio legis des § 116 BGB


Die Mentalreservation bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Willenstheorie und Erklärungstheorie. Nach Sinn und Zweck des § 116 S. 1 BGB soll der Rechtsverkehr in seinem Glauben und Vertrauen auf den objektiven Tatbestand einer Willenserklärung geschützt werden. Da ein objektiver Dritter den subjektiv geheimen Vorbehalt nicht kennt, ist die Willenserklärung aus Rechtsverkehrsschutzgründen wirksam.

Im Falle des § 116 S. 2 BGB ist die Willenserklärung aber dann unwirksam, wenn der Erklärungsempfänger den geheimen Vorbehalt des Erklärenden kennt. Dann ist der Empfänger nicht schutzwürdig, da es kein schutzwürdiges Vertrauen seinerseits gibt. Folgerichtig ist die Willenserklärung dann nichtig. Denn eine Willenserklärung, die nicht gewollt ist und an die auch niemand glaubt, ist gemäß dem Grundsatz der Privatautonomie wirkungslos und darf dies auch sein.


Geheimer Vorbehalt - Prüfungsstandort


§ 116 BGB ist bei der Wirksamkeit der Willenserklärung zu überprüfen. Als rechtshindernde Einwendung erfolgt dies im Anspruchsaufbau in der ersten Station unter „Anspruch entstanden“ als negative Tatbestandsvoraussetzung.


Geheimer Vorbehalt - Prüfungsschema zu § 116 S. 1 BGB



  • Objektiver Tatbestand einer Willenserklärung
  • Fehlender Geschäftswille des Erklärenden
  • Fehlender Geschäftswille des Erklärenden wird dem Rechtsverkehr verschwiegen
  • Rechtsfolge: Wirksamkeit der Willenserklärung mit dem Inhalt des objektiven Tatbestandes



Geheimer Vorbehalt - Prüfungsschema zu § 116 S. 2 BGB



  • Objektiver Tatbestand einer Willenserklärung
  • Empfangsbedürftige Willenserklärung
  • Fehlender Geschäftswille des Erklärenden
  • Fehlender Geschäftswille des Erklärenden wird dem Adressaten und Empfänger der Willenserklärung verschwiegen
  • Adressat und Empfänger der Willenserklärung kennt den subjektiv fehlenden Geschäftswillen des Erklärenden
  • Rechtsfolge: Nichtigkeit der Willenserklärung



Geheimer Vorbehalt bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen


Beachten Sie, dass § 116 S. 1 BGB im Gegensatz zu § 116 S. 2 sowohl empfangsbedürftige als auch nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen betrifft. § 116 S. 1 BGB wird daher bei einseitigen Rechtsgeschäften relevant.

Einseitige Rechtsgeschäfte sind beispielsweise das Testament oder die Auslobung. Einseitige Rechtsgeschäfte sind damit gemäß § 116 S. 1 BGB im Falle einer Mentalreservation des Erklärenden wirksam. Obwohl es keinen Empfänger der Erklärung gibt, ist der Rechtsverkehr auch bei einseitigen Rechtsgeschäften schutzwürdig. Denn auch ein einseitiges Rechtsgeschäft wie das Testament oder die Auslobung entfalten Rechtsfolgen im Rechtsverkehr.


Geheimer Vorbehalt - Beispiel


A befindet sich auf einer Kunstauktion. Ebenfalls anwesend ist B, der A die Frau ausgespannt hat. A weiß, dass B auf der Kunstauktion das Gemälde „Die Geburt der Venus“ von Sandro Boticelli ersteigern möchte. Nachdem B ein Gebot abgegeben hat, treibt A den Kaufpreis für das Gemälde durch sein Gebot in astronomische Höhen. Dabei will er das Gemälde nicht erwerben, sondern lediglich B ärgern. Da sein Gebot nicht mehr überboten wird, erhält A den Zuschlag.

Das Gebot des A ist wegen § 116 S. 1 BGB wirksam. A kann sich daher nicht erfolgreich darauf berufen, dass er eigentlich kein Interesse an dem Kauf des Gemäldes habe und insgeheim nur den B ärgern wollte. Der Kaufvertrag ist wirksam und A daher zur Bezahlung und Abnahme gemäß § 433 II BGB verpflichtet.

Kannte der Auktionator den geheimen Vorbehalt des A und wusste daher, dass A nur B ärgern wollte, aber kein ernsthaftes Kaufinteresse hatte, ist das Gebot des § 116 S. 2 BGB unwirksam.

Weitere wichtige Konstellationen des BGB AT finden Sie hier.

© Jura Ghostwriter - Akademisches Ghostwriting - Seit 1973

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Vielen Dank für Ihren Kommentar. Aus rechtlichen Gründen müssen wir Ihren Kommentar erst prüfen, bevor wir ihn freischalten dürfen. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis und werden Ihren Kommentar zeitnah freischalten!

Erfüllbarkeit - Definition und Erklärung für die Hausarbeit

Die Erfüllbarkeit wird häufig missverstanden. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich diese Erklärung und Definition der Jura Ghostwriter für...