Geschäftsfähigkeit BGB - Definition
Geschäftsfähigkeit ist die Rechtsmacht eines Rechtssubjekts, selbst oder im Rahmen einer Stellvertretung wirksame Rechtsgeschäfte vorzunehmen.
Geschäftsfähigkeit sind grundsätzlich alle volljährigen natürlichen Personen. Die Volljährigkeit tritt gemäß § 2 BGB mit der Vollendung des 18. Lebensjahres ein. Natürliche Personen im Alter ab 18 Jahren sind damit geschäftsfähig.
Geschäftsunfähigkeit gemäß § 104 BGB
Geschäftsunfähig ist gemäß § 104 Nr. 1 BGB, wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat und gemäß § 104 Nr. 2 BGB, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach nur vorübergehender Natur ist.
Geschäftsunfähig gemäß 104 BGB sind daher:
- Minderjährige unter sieben Jahren gemäß § 104 Nr. 1 BGB und
- Geisteskranke gemäß § 104 Nr. 2 BGB.
Geschäftsunfähigkeit gemäß § 105 II BGB
Zwar nicht per se geschäftsunfähig, aber Geschäftsunfähigen gleichgestellt sind gemäß § 105 II BGB natürliche Personen, die sich im Zustand der Bewusstlosigkeit befinden oder unter einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit leiden.
Quasi geschäftsunfähig gemäß § 105 BGB II sind daher:
- Bewusstlose natürliche Personen gemäß § 105 II BGB und
- Vorübergehend geistesgestörte Personen gemäß § 105 BGB.
Rechtsfolgen bei Geschäftsunfähigkeit
Gemäß § 105 I BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Akzessorisch hierzu sind damit auch die Verträge, die ein Geschäftsunfähiger schließt, nichtig.
Besonderheiten im Rahmen der Geschäftsunfähigkeit
- Kein Schutz des guten Glaubens eines Geschäftspartners an die Geschäftsfähigkeit seines Gegenübers
- Keine Schadensersatzansprüche wegen der Geschäftsunfähigkeit eines Geschäftspartners
- Keine Ansprüche aus Stellvertretung bei Handeln eines Geschäftsunfähigen als Stellvertreter, vgl. § 165 BGB - auch hier ist die Willenserklärung des Geschäftsunfähigen nichtig - Ansprüche gegen den Geschäftsherrn und "Vertretenen" wegen Auswahlverschuldens sind aber denkbar
Spezialregelung des § 105a BGB beachten - Geschäfte des täglichen Lebens
Tätigt ein volljähriger Geschäftsunfähiger ein Geschäfts des täglichen Lebens, das mit geringen Mitteln bewirkt werden kann (Bargeschäfte des täglichen Lebens), so gilt der von ihm geschlossene Vertrag gemäß § 105a S. 1 BGB in Ansehung von Leistung und, soweit vereinbart, Gegenleistung als wirksam, sobald Leistung und Gegenleistung bewirkt sind.
Dies gilt nur dann nicht, wenn mit dem Rechtsgeschäft und dessen Wirksamkeit eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen verbunden ist, vgl. § 105 S. 2 BGB.
Das Prüfungsschema für 105a BGB lautet also:
- Alltägliches Rechtsgeschäft
- Volljähriger Geschäftsunfähiger (gilt nicht für Minderjährige!)
- Leistung und Gegenleistung sind tatsächlich bewirkt
- Die Gegenleistung besteht aus geringwertigen Mitteln (Bargeschäft des täglichen Lebens)
- Keine Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen
Rechtsfolgen des § 105a BGB:
- Rechtsgeschäft ist in Ansehung von Leistung und Gegenleistung wirksam - Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik unbedingt beachten!
- Ausschluss einer Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts gemäß §§ 812 ff. BGB bezüglich Leistung und Gegenleistung
- Weitergehende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts außerhalb von Leistung und Gegenleistung
- Keine über Leistung und Gegenleistung hinausgehenden Primär- oder Sekundär-Ansprüche wie Schadensersatz oder weitergehende Pflichten wie Nebenleistungspflichten, Nebenpflichten etc.
Beschränkte Geschäftsfähigkeit Minderjähriger gemäß § 106 BGB
Ein Minderjähriger, der das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist gemäß § 106 BGB nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 BGB in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.
Gemäß § 107 BGB bedarf der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Stellvertreters.
Beschränkte Geschäftsfähigkeit - Definition
Die beschränkte Geschäftsfähigkeit ist die Rechtsmacht natürlicher Personen im Alter von sieben bis einschließlich 17 Jahren, selbstständig wirksame Rechtsgeschäfte vorzunehmen, die lediglich rechtlich vorteilhaft oder zumindest rechtlich neutral sind.
Die Einbeziehung rechtlich neutraler Rechtsgeschäfte ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 165 BGB und einer teleologischen Reduktion des § 107 BGB.
Minderjährige im Sinne des § 107 BGB - Diesen häufigen Fehler vermeiden!
Achtung: Der Minderjährige im Sinne des § 107 BGB ist der Minderjährige im Sinne des § 106 BGB. § 107 BGB bezieht sich damit nicht auf alle Minderjährigen im Alter von 0 bis 17 Jahren, sondern nur auf Minderjährige im Alter von 7 bis einschließlich 17 Jahren.
Ab Vollendung des 18. Lebensjahres tritt gemäß § 2 BGB Volljährigkeit ein. Ab dem 18. Lebensjahr endet damit die Minderjährigkeit.
Spezialregelungen zum BGB AT im Kontext von Geschäftsunfähigkeit und beschränkter Geschäftsunfähigkeit
Auch im Recht der Geschäftsunfähigen und der beschränkt Geschäftsfähigen gibt es einige Spezialvorschriften. Hier wirkt das Spezialitätsprinzip und verdrängt daher die allgemeinen Vorschriften, soweit dies den Schutz der Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen verstärkt.
Bedenken Sie, dass der Minderjährigenschutz auch als die "Heilige Kuh des BGB" bezeichnet wird. Der Minderjährigenschutz genießt damit absoluten Vorrang. Dies ist bei der Auslegung und Anwendung sämtlicher Rechtsvorschriften immer vorrangig und primär zu beachten.
Schutz des Geschäftsunfähigen im Arbeitsrecht
Wird ein Arbeitnehmer auf der Basis eines mit einem Geschäftsunfähigen geschlossenen Arbeitsvertrages beschäftigt, so ist die Willenserklärung des geschäftsunfähigen Arbeitnehmers zum Abschluss des Arbeitsvertrages gemäß § 105 I BGB nichtig.
Akzessorisch hierzu ist auch der Arbeitsvertrag unwirksam. Damit besteht eigentlich kein Anspruch des geschäftsunfähigen Arbeitnehmers auf ein Entgelt gegen den Arbeitgeber. Dies würde den Arbeitnehmer aber gegenüber dem Arbeitgeber schutzlos stellen, weshalb dieses Ergebnis über § 242 BGB im Sinne eines effektiven Schutzes des Arbeitnehmers und Geschäftsunfähigen korrigiert werden muss.
Daher kann der geschäftsunfähige Arbeitnehmer trotz Unwirksamkeit seiner Willenserklärung und des Arbeitsvertrages für seine tatsächlich geleisteten Dienste das vereinbarte Entgelt verlangen.
Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber dem Vergütungsanspruch des geschäftsunfähigen Arbeitnehmers auf die Geschäftsunfähigkeit und die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages, handelt er treuwidrig im Sinne des § 242 BGB.
Der Arbeitgeber muss damit im Ergebnis trotz Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages für die bereits geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung bezahlen.
Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen im Eherecht - Ehemündigkeit mit 16 Jahren
Eine Ehe darf gemäß § 1303 S. 1 BGB grundsätzlich nicht vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden.
Die Volljährigkeit tritt gemäß § 2 BGB mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein.
Damit darf die Ehe grundsätzlich erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres eingegangen werden.
Gemäß § 1303 S. 2 BGB darf mit einer Person, die das 16. Lebensjahr nicht vollendet hat, eine Ehe nicht wirksam eingegangen werden. Der Gesetzgeber normiert damit selbst eine Ausnahme vom Grundsatz der Volljährigkeit bei der Ehe. Zum Schutz der Intimsphäre und des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Minderjährigen darf dieser also unter gewissen Voraussetzungen bereits mit 16 Jahren heiraten.
Schutz des beschränkt Geschäftsfähigen bei der Vaterschaftsanfechtung - § 1600a BGB
Die persönliche Anfechtung sowie die Anfechtung bei fehlender oder beschränkter Geschäftsfähigkeit wird in § 1600a BGB reglementiert.
§ 1600a I BGB stellt klar, dass die Vaterschaftsanfechtung ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft darstellt und daher eine Stellvertretung gemäß §§ 164 ff. BGB grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Nur bei geschäftsunfähigen Anfechtungsberechtigten und beim beschränkt geschäftsfähigen Kind ist ausnahmsweise Stellvertretung erlaubt, vgl. § 1600 II 3 BGB und § 1600a III BGB.
Die Anfechtungsberechtigten im Sinne des § 1600 I Nr. 1 bis 3 BGB können die Vaterschaft gemäß § 1600a II 1 BGB nur selbst anfechten. Dies gilt gemäß § 1600a II 2 Halbsatz 1 BGB auch dann, wenn sie in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind. Insoweit bedürfen beschränkt Geschäftsfähige nicht der Zustimmung ihres gesetzlichen Stellvertreters, vgl. § 1600a II 2 Halbsatz 2 BGB. Ist der Anfechtungsberechtigte geschäftsunfähig, so kann gemäß § 1600a II 3 BGB nur der gesetzliche Stellvertreter die Vaterschaft für ihn anfechten.
Für ein geschäftsunfähiges oder in der Geschäftsfähigkeit beschränktes Kind kann gemäß § 1600a III BGB nur der gesetzliche Vertreter anfechten. Diese Vorschrift steht auf den ersten Blick im Widerspruch zu Regelung des § 1600a II 2 BGB. Die Vorschrift ist aber im systematischen Zusammenhang mit § 1600 BGB zu interpretieren.
Anfechtungsberechtigt sind gemäß § 1600 BGB der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 BGB besteht und der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, die Mutter des Kindes und das Kind selbst.
Im Ergebnis sind damit der "Vater", also der Mann, die Mutter und das Kind anfechtungsberechtigt. § 1600a II 2 BGB bezieht sich damit auf den beschränkt geschäftsfähigen Mann im Sinne des § 1600 I Nr. 1 und Nr. 2 BGB, und die beschränkt geschäftsfähige Mutter im Sinne des § 1600 I Nr. 3 BGB, während sich § 1600a III BGB auf das beschränkt geschäftsfähige Kind im Sinne des § 1600 I Nr. 4 BGB bezieht.
Schutz des Minderjährigen im Rahmen der Testierfreiheit - § 2229 BGB - Testierfähigkeit Minderjähriger - Testierunfähigkeit
Gemäß § 2229 I BGB kann ein Minderjähriger ein Testament erst errichten, wenn er das 16. Lebensjahr vollendet hat. Ein Minderjähriger bedarf dann zur Errichtung eines Testaments nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Stellvertreters.
Testierunfähig ist aber gemäß § 2229 IV BGB, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusststeinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht auch zu handeln.
Geistesgestörte und geisteskranke Personen können damit ein Testament nicht wirksam errichten.
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