8. April 2018

Formlose Änderung eines Vertrages trotz vereinbarter Schriftform

Schriftformklausel - Gesetzliche Grundlage


Gemäß § 125 S. 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt. Gemäß § 125 S. 2 BGB hat der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form im Zweifel gleichfalls die Nichtigkeit zur Folge. 


Formlose Änderung eines Vertrages trotz Schriftform - Worum geht es?


Die Parteien schließen einen Vertrag in der Schriftform gemäß § 126 BGB. Zur Änderung dieses Vertrages wird im Vertrag festgehalten, dass auch diese der Schriftform gemäß § 126 BGB bedürfen. Nun aber vereinbaren die Parteien eine Änderung des Vertrages einverständlich mündlich. Es stellt sich die Frage, ob diese Vereinbarung wirksam ist. 


Unwirksamkeit der Änderungsvereinbarung gemäß § 125 S. 2 BGB


In der mündlichen Änderung des Vertrages kann eine unwirksame Änderung zu sehen sein oder aber die wirksame mündliche Aufhebung der ursprünglich vereinbarten Schriftformklausel. 

Was von den Parteien im Einzelfall gewollt ist, muss mittels Auslegung gemäß §§ 133, 157, 242 BGB ermittelt werden.  Insoweit kommt eine konstitutive Schriftformklausel oder aber nur eine deklaratorische Schriftformklausel in Betracht.


Konstitutive Schriftformklausel - Rechtsfolge ist Nichtigkeit


Kommt man im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis, dass die ursprüngliche Vereinbarung zwingend einzuhalten ist und mündlich nicht geändert werden konnte, so ist die spätere mündliche Änderungsvereinbarung unwirksam. 

In diesem Fall liegt eine sogenannte konstitutive Schriftformklausel vor. Die Nichtigkeit der Änderungsvereinbarung ergibt sich aus § 125 S. 2 BGB in Verbindung mit § 125 S. 1 BGB.


Deklaratorische Schriftformklausel - Rechtsfolge ist Wirksamkeit


Ergibt die Auslegung gemäß §§ 133, 157, 242 BGB, dass die Schriftform vornehmlich dem Zweck diente, den Vertragsschluss und Vertragsinhalt zu dokumentieren und aus Beweiszwecken in schriftlicher Form gemäß § 126 BGB vorlegen zu können, liegt eine deklaratorische Schriftformklausel vor. 

Diese kann grundsätzlich auch mündlich wieder abbedungen werden. § 125 S. 2 BGB in Verbindung mit § 125 S. 1 BGB ist nicht anwendbar mit der Rechtsfolge, dass die Änderungsvereinbarung wirksam ist.


Auffassung des BGH und der herrschenden Lehre


Der Bundesgerichtshof und die herrschende Lehre halten eine konkludente Aufhebung einer Formvereinbarung mittels formlosen Änderungsvertrages möglich. 

§ 125 S. 2 BGB in Verbindung mit § 125 S. 1 BGB komme daher nur dann zur Anwendung, wenn das ursprünglich vereinbarte Formerfordernis durch den Abschluss des formfreien Änderungsvertrages konkludent aufgehoben wurde. 

Auch BGH und hL bedienen sich hierzu der Interpretation der Vereinbarung gemäß §§ 133, 157, 242 BGB. 

Die Rechtfertigung hierfür wird aus der Vertragsfreiheit abgeleitet. Diese beinhalte die Abschlussfreiheit, Inhaltsfreiheit und Formfreiheit bezüglich Verträgen. 

Eine nachträgliche Veränderung zunächst vereinbarter Klausel müsse daher immer möglich sein, da die Parteien nicht für die Zukunft auf ihre Vertragsfreiheit wirksam verzichten könnten. 

Damit halten BGH und hL nicht nur einfache Schriftformklauseln für abänderbar und aufhebbar, sondern sogar qualifizierte Schriftformklauseln. 


Gegenauffassung - Nachträgliche Änderung nicht erlaubt


Die Gegenauffassung hält eine nachträgliche Veränderung oder Aufhebung durch mündliche Abreden für rechtswidrig und unwirksam. 

Da die Parteien in der Regel nicht an den Formzwang denken, sei die konkludent beabsichtigte Aufhebung oder Veränderung der früher vereinbarten Schriftform im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157, 242 BGB grundsätzlich nur eine Fiktion. In der Regel denken Parteien nicht an den Formzwang, den sie vereinbart haben. Dies ändere aber nichts an der Verbindlichkeit der ursprünglichen Vereinbarung. Eine nachträgliche Veränderung sei daher verboten.


Einfache Schriftformklausel - Definition und Erklärung


Eine einfache Schriftformklausel wird definiert als vertragliche Vereinbarung, die jegliche Modifizierung oder Aufhebung vertraglicher Klauseln unter einen Schriftformzwang im Sinne des § 126 BGB stellt.

Integrieren die Parteien eine einfache Schriftformklausel in ihren Vertrag, so wird vereinbart, dass jegliche Veränderungen, Ergänzungen oder Aufhebungen vertraglicher Vereinbarungen nur dann wirksam sind, wenn sie schriftlich (oder auch andere Formarten) vereinbart werden. 

Eine einfache Schriftformklausel hat also die Rechtsfolge, dass formlose oder mittels unterhalb der Schriftform (z. B. Textform gemäß § 126b BGB) erfolgende nachträgliche Vereinbarungen unwirksam sind.

Allerdings kann eine einfache Schriftformklausel durch eine formfreie Vereinbarung auch wieder aufgehoben werden. Um dies zu verhindern, wird in der Praxis in der Regel auf die sogenannte doppelte Schriftformklausel, auch qualifizierte Schriftformklausel genannt, zurückgegriffen. 


Doppelte Schriftformklausel - Qualifizierte Schriftformklausel


Die doppelte Schriftformklausel, auch qualifizierte Schriftformklausel genannt, will eine formfreie Veränderung oder Aufhebung einer zunächst vereinbarten Schriftformklausel verhindern. 

Dabei wird vertraglich normiert, dass jegliche Änderungen oder Ergänzungen eines Vertrages der Schriftform gemäß § 126 BGB bedürfen, und zwar auch und insbesondere die Veränderung oder Aufhebung der Schriftformklausel selbst.

Daher kommt auch der Begriff "doppelte oder qualifizierte" Schriftformklausel. Im Gegensatz zur einfachen Schriftformklausel wird nicht nur eine Änderung des Vertrages allgemein, sondern explizit zusätzlich spezifisch die Änderung der Schriftformklausel unter das Schriftformerfordernis gestellt. 


Doppelte Schriftformklauseln im Arbeitsrecht - Verstoß gegen § 307 I BGB


Laut Bundesarbeitsgericht verstoßen qualifizierte Schriftformklauseln als allgemeine Geschäftsbedingungen in einem Arbeitsvertrag gegen § 307 I 1 BGB, wenn sie ausdrücklich mündliche Vereinbarungen umfassen. 

Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind gemäß § 307 I 1 BGB dann unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Arbeitnehmer durch eine doppelte Schriftformklausel dahingehend getäuscht, dass der Eindruck beim Arbeitnehmer entstehe, mündliche Abreden seien entgegen § 305b BGB per se unwirksam. 

Gemäß § 305b BGB gilt aber der Vorrang der Individualabrede. Individuelle Vertragsabsprachen haben damit Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine doppelte Schriftformklausel täusche den Arbeitnehmer insoweit über die wahre Rechtslage. 

Allerdings ist eine qualifizierte Schriftformklausel auch nach dieser Auffassung des Bundesarbeitsgerichts nicht per se unwirksam. Sinn und Zweck dieser Rechtsprechung ist  es vielmehr, dass eine betriebliche Übung zur Verhinderung mündlicher Änderungsabsprachen nicht zur Regel wird. 

Es bleibt den Parteien aber auch diesbezüglich unbenommen, innerhalb ausdrücklicher mündlicher Individualabreden Schriftformklauseln jeglicher Art zu vereinbaren, zu verändern oder aufzuheben. 

Solange Arbeitgeber und Arbeitnehmer also auf Augenhöhe miteinander vertragliche Klauseln vereinbaren, ist das Ausdruck der Privatautonomie und deren Konkretisierung in Form der Vertragsfreiheit. Dabei können Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Wege ihrer Möglichkeiten aus der Abschlussfreiheit, Inhaltsfreiheit und Formfreiheit bezüglich des Arbeitsvertrages Vertragsbedingungen frei aushandeln.

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