Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages - Form des § 311b I 1 BGB - Ausgangssituation
Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, bedarf gemäß § 311b I 1 BGB der notariellen Beurkundung gemäß § 128 BGB.
Ein Grundstückskaufvertrag im Sinne der §§ 433 ff. BGB bedarf damit der notariellen Beurkundung im Sinne des § 128 BGB.
Fraglich ist nun, ob ein Aufhebungsvertrag als actus contrarius zur Verpflichtung der Durchführung eines Grundstückskaufvertrages ebenfalls der Formvorschrift des § 311b I 1 BGB unterliegt. Hierbei sind zwei grundlegende Konstellationen zu unterscheiden.
Aufhebung des Grundstückskaufvertrages vor Übereignung
Haben die Parteien einen Grundstückskaufvertrag im Sinne der §§ 433 ff. BGB geschlossen, der Verkäufer aber die Pflicht zur Übergabe und Übereignung gemäß § 433 I 1 BGB beziehungsweise der Käufer die Pflicht zur Abnahme gemäß § 433 II BGB noch nicht vollzogen, so bedarf es im Rahmen einer Aufhebung des Kaufvertrages nach Abschluss des Aufhebungsvertrages keiner Rückübertragung des Eigentums und des Besitzes am Grundstück.
Damit bedarf es im Rahmen der Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Aufhebungsvertrag keiner Verpflichtung zur Übertragung und zum Erwerb des Eigentums an dem Grundstücks. Schließlich ist der ursprüngliche Verkäufer immer noch Eigentümer und Besitzer. Damit bedarf ein solcher Aufhebungsvertrag auch nicht der Form des § 311b I 1 BGB in Verbindung mit § 128 BGB.
Aufhebung des Grundstückskaufvertrages nach Übereignung
Haben die Parteien ihre Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllt, so hat der Verkäufer seine Pflicht aus § 433 I 1 BGB zur Übertragung von Eigentum und Besitz am Grundstück vollzogen und der Käufer das Grundstück im Sinne des § 433 II BGB abgenommen.
Soll nun der ursprüngliche Grundstückskaufvertrag wieder aufgehoben werden, so zielt dieser Aufhebungsvertrag als schuldrechtlicher Verpflichtungsvertrag im Sinne des § 311 I BGB darauf ab, dass der ursprüngliche Verkäufer das Eigentum und den Besitz am Grundstück vom Käufer zurückerhält und das Grundbuch berichtigt wird.
Fraglich ist nun, ob dieser Aufhebungsvertrag formbedürftig gemäß § 311b I 1 BGB ist, wenn die Parteien zwar die Aufhebung des ursprünglichen Grundstückskaufvertrages vereinbaren, aber zur Frage der Rückübereignung und Rückgabe des Grundstücks keine explizite Vereinbarung treffen.
Aufhebung Grundstückskaufvertrag - Meinung 1 - § 311b I 1 BGB (+)
Teilweise wird die Formbedürftigkeit des Aufhebungsvertrages gemäß § 311b I 1 BGB generell bejaht.
Auch wenn die Parteien keine explizite Vereinbarung bezüglich der Rückübertragungspflicht träfen, sei eine solche Vereinbarung zumindest konkludent in der Aufhebungsvereinbarung enthalten. Eine konkludente Aufhebungsvereinbarung ergäbe sich im Wege der Auslegung des Aufhebungsvertrages gemäß §§ 133, 157, 242 BGB. Damit sei die Rückübertragung Vertragsbestandteil, womit die Tatbestandsvoraussetzungen des § 311b I 1 BGB erfüllt seien. Rechtsfolge sei die Formbedürftigkeit des Aufhebungsvertrages gemäß § 311b I 1 BGB in Verbindung mit § 128 BGB.
Aufhebung Grundstückskaufvertrag - Meinung 2 - Differenzierung im Detail - § 311b I 1 BGB (+/-)
Die herrschende Meinung differenziert bei der Frage der Formbedürftigkeit des Aufhebungsvertrages hinsichtlich der vertraglichen Regelung.
Haben die Parteien keine Rückübertragungspflicht vereinbart, so gäbe es eben auch keine vertragliche Rückübertragungspflicht. Die Rechtsfolge der Aufhebung ergäbe sich dann aus dem Gesetz gemäß § 812 I 2 Alt. 2 BGB, sogenannte condictio ob causam finitam. Auf die gesetzliche Übereignungspflicht aus § 812 I 2 Alt. 2 BGB sei aber § 311b I 1 BGB nicht anwendbar, weshalb auch der Aufhebungsvertrag nicht der Form des § 311b I 1 BGB in Verbindung mit § 128 BGB bedürfe.
Sei jedoch die Aufhebungsvereinbarung ausdrücklich oder konkludent im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157, 242 BGB dahingehend zu interpretieren, dass im Rahmen des Aufhebungsvertrages auch eine vertragliche Rückübertragungspflicht enthalten sei, so sei der Aufhebungsvertrag formbedürftig gemäß § 311b I 1 BGB in Verbindung mit § 128 BGB.
Aufhebung Grundstückskaufvertrag - Stellungnahme zum Streit
Die Differenzierung der herrschenden Meinung überzeugt auf den ersten Blick alleine deshalb, weil eine Differenzierung grundsätzlich vom Prädikats-Juristen gefordert wird.
Beim genaueren Hinsehen läuft hier jedoch die Differenzierung im Ergebnis ins Leere. Wenn die Parteien eine Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages vereinbaren, dann wollen sie im Ergebnis nicht nur abstrakt eine Aufhebung des Grundstückskaufvertrages erreichen, sondern zielen auf die Herstellung des ursprünglichen Zustandes ab. Das heißt, dass die Parteien eines Aufhebungsvertrages zumindest konkludent immer beabsichtigen, dass das Grundstück zurückübertragen werden soll. Die Differenzierung der herrschenden Meinung entpuppt sich daher bei näherem Hinsehen als juristisches Glasmurmelspiel.
Im Ergebnis dürfte es daher richtig sein, einen Aufhebungsvertrag bezüglich eines bereits vollzogenen Grundstückskaufvertrages immer dem Formerfordernis des § 311b I 1 BGB in Verbindung mit § 128 BGB zu unterstellen.
Wer weniger mutig und politisch-juristisch korrekter sein will, der bedient sich der allseits beliebten Grundsatz-Ausnahme-Argumentation. Insoweit muss grundsätzlich von einer Formbedürftigkeit ausgegangen werden. Im Einzelfall bleibt dann immer noch die Option, aufgrund der Umstände der individuellen Konstellation ausnahmsweise von einer Formbedürftigkeit des Aufhebungsvertrages abzusehen.
Ob diese theoretische Ausnahme praktisch je relevant werden kann, ist jedoch höchst ungewiss. Eine solche Argumentation befriedigt aber das Sicherheitsbedürfnis vieler Juristen und sei daher psychologisch-juristisch legitimiert.
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