Erlöschen durch Leistung - Rechtlicher Ausgangspunkt
Gemäß § 362 I BGB erlischt das Schuldverhältnis im engeren Sinne, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Mit Schuldverhältnis im Sinne des § 362 I BGB ist der Anspruch im Sinne des § 194 I BGB gemeint.
Empfangszuständigkeit - Beispiel
Der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige M hat mit A einen Kaufvertrag über ein iPhone zum Preis von 500 EUR abgeschlossen. Die Eltern des M haben dem Kauf zugestimmt, so dass der Kaufvertrag wirksam ist. M hat nun gegen A den Anspruch aus § 433 I 1 BGB in Verbindung mit dem Vertrag auf Übereignung und Übergabe des iPhone. Übereignet nun der A an den M das iPhone gemäß §§ 929 ff. BGB, dann erwirbt M das Eigentum an dem iPhone. Da dieser Eigentumserwerb den Rechtskreis des M erweitert, ist er rechtlich vorteilhaft. Die Übereignung bedarf der nicht der Zustimmung, vgl. § 107 BGB. Die Übereignung des iPhone von A an M ist damit wirksam.
Zusätzlich zur Übereignung werden aber weitere Rechtsfolgen ausgelöst. Gemäß § 362 I BGB erlischt die Forderung des M gegen A aus § 433 I 1 BGB. Dieser Verlust stellt einen rechtlichen Nachteil dar. Daher stellt sich die Frage, ob eine wirksame Erfüllung gemäß § 362 I BGB durch Leistung an den Minderjährigen rechtlich möglich ist. Dies ist umstritten.
Vertragstheorie - Erfüllung durch Erfüllungsvertrag
Die Vertragstheorie vertritt die Auffassung, dass die Erfüllung den Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Form eines Vertrages erfordere. Dieser Vertrag habe den Inhalt, dass die Schuld erlöschen solle und sei ein Verfügungsvertrag bezüglich der Schuld. Dieser Vertrag sei gemäß § 107 BGB nicht lediglich rechtlich vorteilhaft und daher ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters auch nicht wirksam. Damit könne der Minderjährige im obigen Fall zwar wirksam Eigentum erwerben, aber ohne Mitwirkung seiner Eltern als gesetzliche Vertreter nicht seine Forderung verlieren und auch keine Erfüllungswirkung eintreten. Die Forderung erlösche erst durch den wirksamen Abschluss des Erfüllungsvertrages mit Beteiligung der Eltern; erst dann trete auch Erfüllung ein.
Theorie der realen Leistungsbewirkung - Erfüllung durch Realakt
Die herrschende Meinung vertritt die Theorie der realen Leistungsbewirkung. Danach sei die Erfüllung ein Realakt, also eine tatsächliche Handlung mit rechtlichen Folgen. Da § 107 BGB in seiner direkten Anwendung nur Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte erfasse, müsse dieser auf den Realakt der Erfüllung analog angewendet werden. Da die Erfüllung der Forderung gegenüber dem Minderjährigen zu einem Erlöschen seiner Forderung führe, sei dies ein rechtlicher Nachteil. Daher fehle dem Minderjährigen die Empfangszuständigkeit für die Annahme der geschuldeten Leistung. Auch die Theorie der realen Leistungsbewirkung sieht in der Übereignung und der Erfüllung zwei getrennte Rechtsvorgänge. Während also die Übereignung an den Minderjährigen in Erfüllung der Pflichten aus dem Kaufvertrag aus § 433 I 1 BGB wirksam sei, sei es der Eintritt der Erfüllungswirkung nicht. Beide Rechtsvorgänge seien daher strikt zu trennen.
Empfangszuständigkeit - Stellungnahme
Sowohl die Vertragstheorie als auch die Theorie der realen Leistungsbewirkung argumentieren mit 107 BGB; die Vertragstheorie mit § 107 BGB direkt, die Theorie der realen Leistungsbewirkung mit 107 BGB analog. Im Ergebnis lässt sich damit für beide Theorien im Rahmen der Subsumtion des § 362 BGB konstatieren, dass ein Bewirken der Leistung an den Minderjährigen zwar möglich ist, aber die Rechtsfolge des Erlöschen des Schuldverhältnisses, also der Erfüllung, nicht eintritt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Vielen Dank für Ihren Kommentar. Aus rechtlichen Gründen müssen wir Ihren Kommentar erst prüfen, bevor wir ihn freischalten dürfen. Wir danken Ihnen für Ihr Verständnis und werden Ihren Kommentar zeitnah freischalten!