5. März 2018

§ 111 BGB - Grundsatz der Nichtigkeit und Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtigkeit

§ 111 S. 1 BGB - Einseitiges Rechtsgeschäft ohne Einwilligung - Grundsätzliche Regelung

Gemäß § 111 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das der Minderjährige ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vornimmt, unwirksam.


§ 111 S. 1 BGB - Beispiel - Fall

Der 15-jährige A hat mit Einwilligung seiner Eltern mit B einen Vertrag über ein Smartphone zum Preis von 500 EUR geschlossen. Als B dem A das Angebot machte, hatte A sich verhört und ging von einem Kaufpreis von 50 EUR aus. Nachdem A den Irrtum bemerkt, ficht er den Kaufvertrag mit B an. Diese Anfechtungserklärung ist als Willenserklärung im Rahmen des einseitigen Rechtsgeschäfts der Anfechtung gemäß § 111 S. 1 BGB ohne die erforderliche Einwilligung der Eltern unwirksam. Da A mit der Anfechtung seinen Anspruch aus Kaufvertrag aus § 433 I 1 BGB gegenüber B verliert, ist die Anfechtung rechtlich nachteilig und bedarf der Einwilligung durch die Eltern. Die wirtschaftliche Betrachtung spielt hierbei keine Rolle. Die Anfechtung ist damit unwirksam.


§ 111 S. 2 BGB - Einseitiges Rechtsgeschäft mit Einwilligung - Unwirksamkeit

Nimmt ein Minderjähriger mit der erforderlichen Einwilligung ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem anderen vor, so ist das Rechtsgeschäft trotz der Einwilligung unwirksam, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist, vgl. § 111 S. 2 BGB. 


§ 111 S. 2 BGB - Beispiel - Fall

Im Fall oben berichtet der A seinen Eltern von seinem Irrtum und davon, dass er den Kaufvertrag mit B anfechten möchte. Die Eltern willigen mündlich in die Anfechtung des A gegenüber B ein. A erklärt daraufhin die Anfechtung gegenüber B und weist diesen darauf hin, dass die mündliche Einwilligung der Eltern für diese Anfechtung vorliegt. B weist die Anfechtung mangels schriftlicher Vorlage der Einwilligung der Eltern bezüglich der Anfechtung zurück. Gemäß § 111 S. 2 BGB ist die Anfechtung des A trotz der Einwilligung der Eltern unwirksam. Um wirksam anzufechten, muss A die Einwilligung in schriftlicher Form gemäß § 126 BGB vorlegen.


§ 111 S. 3 BGB - Einseitiges Rechtsgeschäft mit Einwilligung - Persönliche Mitteilung durch den Vertreter

Gemäß § 111 S. 3 BGB ist eine Zurückweisung des einseitigen Rechtsgeschäfts ausgeschlossen, wenn der Vertreter den anderen Teil von der Einwilligung in Kenntnis gesetzt hatte. 


§ 111 S. 3 BGB - Beispiel - Fall

Im Fall oben kann der B die Anfechtung des A nicht zurückweisen, wenn die Eltern dem B ihre Einwilligung zur Anfechtung des A kommuniziert haben. Dabei spielt die Form dieser Mitteilung keine Rolle. Sie kann auch mündlich erfolgen und bedarf nicht zwingend der Schriftform gemäß § 126 BGB. Der Rechtssicherheit ist Genüge getan, wenn der Vertragspartner des A von den Eltern über den tatsächlichen und rechtlichen Bestand der Einwilligung informiert wurde und daher keine Zweifel mehr diesbezüglich bei B verbleiben.


§ 111 BGB - Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtigkeit bei fehlender Einwilligung des gesetzlichen Vertreters

Die Vornahme einseitiger Rechtsgeschäfte ist zum Schutze des beschränkt Geschäftsfähigen, seines Geschäftspartners und des Rechtsverkehrs ohne Einwilligung im Rahmen der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 111 BGB grundsätzlich unwirksam. Dieser Grundsatz wird nach herrschender Meinung in zwei Ausnahmefällen im Kontext empfangsbedürftiger Willenserklärungen durchbrochen. Dies betrifft zum einen die Fälle, in denen der Geschäftsgegner mit der Vornahme des Rechtsgeschäfts ohne Einwilligung einverstanden ist und zum anderen die Fälle, in denen die Einwilligung nur gegenüber dem beschränkt Geschäftsfähigen erklärt wurde. 


§ 111 BGB - Genehmigungsfähigkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts

§ 111 BGB dient dem Interessenausgleich zwischen den Interessen des beschränkt Geschäftsfähigen, dem Geschäftspartner und den Eltern. Will der Minderjährige nun ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber dem Geschäftspartner vornehmen und dieser ist damit einverstanden, dann bedarf der Geschäftspartner keines Schutzes mehr. Der Geschäftspartner kann damit auf seinen Schutz aus § 111 S. 2 BGB in Verbindung mit dem Grundsatz der Privatautonomie verzichten. Die einzige Instanz, die dann noch berücksichtigt werden muss, sind die gesetzlichen Vertreter des beschränkt Geschäftsfähigen. Diesen wird in analoger Anwendung des § 180 S. 2 Alt. 2 BGB eine Genehmigungsfähigkeit gemäß §§ 108, 109 BGB zugestanden. Damit haben diese die abschließende Kontrolle über die Wirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts. Dem Schutzzweck des § 111 BGB ist damit ausreichend Genüge getan.


§ 111 BGB - Genehmigung des einseitigen Rechtsgeschäfts - Beispiel - Fall

Im Fall oben möchte A den Kaufvertrag anfechten. Ohne Einwilligung seiner Eltern erklärt er die Anfechtung gegenüber B. B ist mit der Anfechtung einverstanden. Er weist also die Anfechtung nicht zurück, indem er von seinem Recht aus § 111 S. 2 BGB Gebrauch macht. Die Anfechtung des A ist nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam. Die Eltern können nun die Anfechtung gemäß §§ 108, 109 BGB in Verbindung mit § 184 BGB genehmigen. Erfolgt die Genehmigung durch die Eltern, ist die Anfechtung wirksam.


§ 111 BGB - Zurückweisung analog § 109 I 2 BGB gegenüber Minderjährigem

Nimmt der Minderjährige (präziser: beschränkt Geschäftsfähige) mit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem anderen vor, so ist dieses Rechtsgeschäft gemäß § 111 S. 2 BGB unwirksam, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der andere Teil das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Diese Zurückweisung ist ein Rechtsgeschäft (oder je nach Auffassung rechtsgeschäftsähnliche Handlung), das durch die Zurückweisungserklärung als Willenserklärung die Rechtsfolge der Unwirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts des Minderjährigen auslöst. Diese Willenserklärung muss gemäß § 131 II 1 BGB in Verbindung mit § 131 I BGB dem gesetzlichen Vertreter zugehen, um wirksam zu werden. Der Gesetzgeber geht im Grundsatz des § 111 S. 2 BGB davon aus, dass die Zurückweisung durch den Geschäftspartner gegenüber dem gesetzlichen Vertreter erfolgen muss. Ausnahmsweise kann aber nach herrschender Meinung analog § 109 I 2 BGB die Zurückweisung auch dem Minderjährigen gegenüber wirksam erfolgen. Dies dient dem Rechtsschutz des Geschäftspartners und dessen Interesse an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.


§ 111 BGB - Zurückweisung analog § 109 I 2 BGB gegenüber Minderjährigem - Beispiel - Fall

Im Fall oben erklären die Eltern des A nur diesem gegenüber die Einwilligung zur Anfechtung. Die Anfechtung ist dann unwirksam, wenn die Einwilligung dem B nicht schriftlich vorgelegt oder von den Eltern mitgeteilt wurde und B die Anfechtung aus diesem Grund unverzüglich gegenüber den Eltern zurückweist, vgl. § 111 S. 2, 3 BGB. In analoger Anwendung des § 109 S. 2 BGB kann B aber nun auch die Zurückweisung wirksam gegenüber dem A erklären. 


§ 111 BGB - Teleologische Reduktion für rechtlich vorteilhafte Rechtsgeschäfte

Ausweislich des Wortlautes des § 111 BGB bezieht sich die Nichtigkeit auf jede Art einseitiger Rechtsgeschäfte. Für rechtlich vorteilhafte Rechtsgeschäfte besteht dafür aber kein Bedürfnis, vgl. § 107 BGB. Bei vorteilhaften Rechtsgeschäften ist daher § 111 BGB teleologisch zu reduzieren. Nach Sinn und Zweck ist die teleologische Reduktion auch für rechtlich neutrale Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Damit kann der beschränkt geschäftsfähige Minderjährige rechtlich vorteilhafte und rechtlich neutrale Rechtsgeschäfte ohne Einwilligung der Eltern wirksam vornehmen.

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