27. Februar 2018

Haftung beim verschuldeten Dissens?

Totaldissens - Offener Dissens - Versteckter Dissens

Verträge können scheitern, wenn sich die Parteien nicht einigen können. Beim Totaldissens scheitert die Einigung in wesentlichen Vertragspunkten, sog. essentialia negotii. Beim offenen und versteckten Dissens der §§ 154, 155 BGB scheitert die Einigung bezüglich vertraglicher Nebenpunkte, sog. accidentalia negotii. Wurde ein solcher Dissens nun schuldhaft verursacht, so stellt sich die Frage der Haftung des Verursachers. Dabei muss zwischen einseitigem und beiderseitigem Verschulden beziehungsweise Vertretenmüssen unterschieden werden.

Dissens - Einseitiges Verschulden bzw. Vertretenmüssen

Kommt ein Vertrag nicht zustande beziehungsweise scheitert die Wirksamkeit eines Vertrages wegen eines Dissens, den eine der Parteien zu vertreten hat, so kann aus culpa in contrahendo Schadensersatz von dieser Partei verlangt werden. Anspruchsgrundlage ist § § 280 I 1 BGB in Verbindung mit § 311 II BGB. Im Rahmen des Schadensersatzes muss der Haftende dann der anderen Partei den Vertrauensschaden, also das negative Interesse, ersetzen.

Dissens - Beiderseitiges Verschulden bzw. Vertretenmüssen

Es ist umstritten, welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn beide Parteien die Verursachung eines Dissens zu vertreten haben. 

Teilweise vertretene Auffassung: Culpa in Contrahendo

Eine teilweise vertretene Auffassung sieht keinen wesentlichen Unterschied zum einseitigen Vertretenmüssen und gibt jedem der Parteien einen Anspruch aus § 280 I 1 BGB in Verbindung mit § 311 II BGB. Die jeweiligen Haftungsanteile werden im Rahmen der gegenseitigen Ansprüche mittels § 254 BGB und damit der Kürzung des eigenen Anspruch um den eigenen Verantwortungsteil berücksichtigt. 

Andere Auffassung: Keine Haftung

Eine andere Meinung sieht im Dissens keinen Haftungsgrund auf Schadensersatz. Ein Dissens sei jeder Partei gleichermaßen zuzurechnen. Dabei müsse jede Partei ihre Willenserklärung so gegen sich gelten lassen, wie diese Willenserklärung auch nach §§ 133, 157, 242 BGB auszulegen und zu verstehen sei. Beim Totaldissens sei daher über die Rechtsfolge der Nichtigkeit kein weitergehender Anspruch gegeben. Beim offenen Dissens gemäß § 154 BGB sei der Vertrag im Zweifel nicht geschlossen während er beim versteckten Dissens gemäß § 155 BGB geschlossen sei. Über diese Rechtsfolgen hinaus gäbe es keine Schadensersatzansprüche.

Stellungnahme zur Frage der Haftung beim Dissens

Haben die Parteien einen Vertrag geschlossen, der unwirksam ist, so wurde zumindest bereits vorvertragliches Vertrauen gebildet. Daher ist es grundsätzlich auch richtig, bei Pflichtverletzungen in diesem Vertrauensbereich an eine Haftung über die c.i.c. zu denken. Damit ist im Einzelfall unter Zugrundelegung von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB eine interessengerechte Lösung zu finden. Dabei ist es nicht ausgeschlossen, dass die Gewährung von Schadensersatz für eine oder beide Parteien im Einzelfall angemessen und sachgerecht ist. Es verbieten sich insoweit schematische Lösungsansätze, die kategorisch Schadensersatzansprüche gewähren oder ablehnen. Dabei ist auch zu beachten, dass der Gesetzgeber für die Dissensregeln keine eindeutige gesetzliche oder jedenfalls direkte gesetzliche Regelung geschaffen hat. Damit ist von Gesetzes wegen weder eindeutig ein Schadensersatzanspruch gewährt noch eindeutig verwehrt. Es kann nicht oft genug betont werden, dass wie immer der Einzelfall und die Argumentation anhand des konkreten Sachverhaltes entscheidend sind.

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