16. Januar 2018

Beispiele fehlenden Rechtsbindungswillens

Klassische Fälle des fehlenden Rechtsbindungswillens

Der Rechtsbindungswille, oder spezifischer, der konkrete Rechtsbindungswille, ist Teil des objektiven Tatbestandes einer Willenserklärung. Er liegt vor, wenn aus der objektiven Sicht eines Dritten aus dem Verhalten des Erklärenden auf einen konkreten Rechtsbindungswillen geschlossen werden kann.

Beispiel:
A macht dem B ein Angebot zum Kauf des iPhone des B für 500 EUR. 

Der konkrete Rechtsbindungswille A, der sich hier aus der Sicht des B ergibt, ist auf den Abschluss eines Kaufvertrages im Sinne der §§ 433 ff. BGB über ein iPhone zum Preis von 500 EUR gerichtet. 

"Angebot freibleibend"

Das freibleibende Angebot ist trotz seines Wortlautes als Angebot im eigentlichen Sinne. Es ist aber eine dogmatisch anerkannte Rechtsfigur und gesetzlich verankert in § 145 BGB. Wie ein "Angebot freibleibend" zu interpretieren ist, richtet sich nach §§ 133, 157 BGB. Es ist im Einzelfall zu untersuchen, was der "Anbietende" objektiviert damit ausdrückt. Synonyme Formulierungen sind übrigens "ohne Obligo", "sine obligo" oder auch "unverbindlich". In der Regel ist im "Angebot freibleibend" kein Angebot ohne Bindungswirkung im Sinne des § 145 BGB zu sehen, sondern eine invitatio ad offerendum. Problematisch an einem Angebot ohne Bindungswirkung gemäß § 145 BGB ist, dass die Bindungswirkung längstens bis über den Zugang hinaus auf den Zeitpunkt der Annahme ausgeschlossen werden kann, vgl. § 130 I 2 BGB. Sobald der Vertragspartner die Annahme erklärt, erlischt die fehlende Bindungswirkung, der Antrag wird bindend und der Vertrag ist geschlossen. Daher die Interpretation als invitatio ad offerendum, also die bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten. Derjenige, der "freibleibend" anbietet, muss also seinerseits noch die Annahme auf entsprechende Angebot erklären. Eine Besonderheit gibt es dennoch: Wer freibleibende Angebot macht und damit zu echten Angebot auffordert, muss auf diese dann auch reagieren. Er hat eine diesbezügliche Reaktionspflicht. Schweigt er auf solche Angebote, so gilt sein Schweigen gemäß §§ 133, 157, 242 BGB ausnahmsweise als Zustimmung und damit als Annahme des Angebotes. Im "Angebot freibleibend" liegt damit auch eine dogmatisch wichtige Ausnahme zum Grundsatz, dass Schweigen keinen Erklärungswert hat. 

Scheingeschäfte gemäß § 117 I BGB

Beim Scheinsgeschäft gemäß § 117 I BGB weiß der Erklärungsempfänger, dass der objektive Tatbestand der Scheinerklärung keinen konkreten Rechtsbindungswillen enthält. Die Scheinerklärung enthält nur scheinbar einen konkreten Rechtsbindungswillen und ist damit im Ergebnis irrelevant und nichtig. 

Spontane Äußerungen über die Anerkennung einer Schuld

Klassischer Fall dieser Fallgruppe sind Erklärungen von Unfallbeteiligten am Unfallort. Aufgrund der Stress- und eventuell auch Schocksituation sind solche Erklärungen mit größter Vorsicht zu bewerten. Unfallbeteiligte, die ihre Schuld erklären, können die Bedeutung und Tragweite solcher Erklärungen im Zeitpunkt der Erklärung nicht abschätzen. Daher unterstellt man generalisierend, dass solche Erklärungen unter objektivierter Betrachtungsweise grundsätzlich keinen konkreten Rechtsbindungswille für Schuld, Haftung und Schadensersatzansprüche bilden.

Gefälligkeitsverhältnisse des täglichen Lebens

Gefälligkeiten wie die Mitnahme beim Trampen, die Einladung zum Essen oder aber die Abgabe des Lottoscheins für einen anderen können zu Problemfällen des konkreten Rechtsbindungswillens werden. Grundsätzlich sind sie aber als gesellschaftliche Gefälligkeiten zu betrachten, die keine Rechtsfolgen auslösen. 

Der Einzelfall entscheidet

Letzten Endes müssen Sie den Einzelfall betrachten und anhand der individuellen Konstellation bewerten, ob in den oben genannten Fallgruppen oder auch ähnlichen Konstellationen ein Rechtsbindungswille vorliegt oder nicht. Eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich dabei. Das Verhalten der Handelnden, Verhaltenden und Erklärenden muss gemäß §§ 133, 157, 242 BGB ausgelegt werden. Ziel ist eine interessengerechte Lösung, die den Schutz der Handelnden und des Rechtsverkehrs in einen praktische konkordanten Ausgleich bringen.

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