Schuldeingeständnis am Unfallort
Ein Unfall passiert, die Beteiligten stehen in der Regel unter Schock oder jedenfalls unter hohem Stress. Ein Unfallbeteiligter erklärt sich spontan für schuldig. Aber stimmt seine subjektive Meinung in dieser Situation mit der objektiven Verkehrsunfalllage auch überein? Diese Frage beschäftigt Juristen seit Generationen.
Der Rechtsbindungswille gemäß §§ 133, 157 BGB entscheidet
Ob eine Erklärung oder ein Handeln unter objektivierter Betrachtungsweise eine rechtsverbindliche Aussage trifft oder nicht, wird durch Auslegung der Erklärung bzw. des Handelns gemäß §§ 133, 157 BGB ermittelt.
Drei Möglichkeiten der Interpretation
Erklärungen am Unfallort können in drei verschiedene Richtungen interpretiert werden. Vom konstitutiven Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB über das deklaratorische Schuldanerkenntnis gemäß § 311 I BGB bis hin zur bloßen Wissenserklärung ohne Rechtsbindungswille ist alles möglich.
Konstitutives Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB
Bei Erklärungen am Unfallort wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass diese nicht als konstitutives Schuldanerkenntnis gemäß §§ 780, 781 BGB eingeordnet werden können. In der Regel fehlt dem Erklärenden diesbezüglich der konkrete Rechtsbindungswille, eine neue eigenständige Schuld und damit Anspruchsgrundlage zu seinem Nachteil zu schaffen. Daher scheidet das konstitutive Schuldanerkenntnis grundsätzlich aus.
Deklaratorisches Schuldanerkenntnis gemäß § 311 I BGB
Hier wird zwar keine eigenständige Schuld begründet, jedoch ein Verzicht auf bestehende und zukünftige rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen sowie dilatorische und peremptorische Einreden. Eine solche Einwendung im Straßenverkehr stellt beispielsweise § 7 Absatz 2 StVG dar. Auch wenn keine eigenständige Schuld begründet wird, zieht das deklaratorische Schuldanerkenntenis weitrechende Rechtsfolgen nach sich. Bei Erklärungen am Unfallort kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Unfallbeteiligte spontan auf Einwendungen und Einreden verzichten wollen, die sie vermutlich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht kennen bzw. überblicken können. Ein konkreter Rechtsbindungswille ist diesbezüglich gemäß §§ 133, 157 BGB in der Regel auszuschließen. Anders kann sich die Rechtslage beispielsweise darstellen, wenn nach dem Unfall Streit zwischen den Beteiligten über diverse Punkte entsteht und durch das Schulanerkenntnis einzelne Punkte geklärt werden sollen. Dann ist davon auszugehen, dass die Beteiligten über die Sach- und Rechtslage reflektiert haben und die Erklärungen von überlegtem Wissen und Wollen getragen sind.
Bloße Wissenserklärung dürfte die Regel sein
In der Regel ist also ein konkreter Rechtsbindungswille bei Erklärungen am Unfallort gemäß §§ 133, 157 BGB auszuschließen. Dennoch bleiben solche Erklärungen nicht unberücksichtigt. Sie können wertvolle Hinweise für die Beweislage geben. So kann sich daraus eine Verbesserung der Beweislastlage für den Empfänger der Erklärung ergeben. Dabei ist es umstritten, ob die Erklärung nur Indizwirkung hat oder aber sogar zu einer Beweislastumkehr im Rahmen der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO führt. Die herrschende Meinung tendiert zur Indizwirkung. Entscheidend ist letzten Endes aber wie immer die Situation und Argumentation im Einzelfall.
Fazit: Verbot der schematischen Lösung
Die Möglichkeiten der rechtlichen Einordnung der Erklärungen am Unfallort sind vielfältig. Entscheidend ist es jedoch, in Theorie und Praxis alle Sachverhaltselemente zu berücksichtigen und so den Einzelfall der richtigen, brauchbaren und vertretbaren Lösung zuzuführen. Eine schematische Betrachtungsweise verbietet sich. Der exzellente Jurist kennt die Dogmatik und löst den Einzelfall billig, gerecht und dogmatisch sauber.
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