9. Juli 2018

Die Formfreiheit der Vollmacht und ihre Ausnahmen

Die Formfreiheit der Vollmacht und ihre Ausnahmen in der rechtswissenschaftlichen Untersuchung und der juristischen Prüfung


Die Vollmachtserteilung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, welches grundsätzlich keinem Formzwang unterliegt. Dies wird durch § 167 II BGB normiert.

§ 167 BGB normiert die Erteilung der Vollmacht. Gemäß § 167 II BGB bedarf die Willenserklärung zur Vollmachtserteilung nicht derjenigen Form, welche für das Rechtsgeschäft bestimmt ist, auf welches sich die Vollmacht selbst bezieht.

Damit ist von Gesetzgeberseite klargestellt, dass die Bevollmächtigung grundsätzlich formfrei möglich ist. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das spätere Rechtsgeschäft des Stellvertreters formbedürftig sein sollte.


Ausnahmen von der Formfreiheit der Vollmacht im rechtswissenschaftlichen Gutachten


Von jedem Grundsatz gibt es Ausnahmen. So auch beim Grundsatz der Formfreiheit der Vollmacht und der Bevollmächtigung.

Eine Ausnahme besteht zunächst für diejenigen Fälle, in welchen eine vertragliche Vereinbarung bezüglich der Form der Vollmacht besteht.

Danach folgen dogmatisch die gesetzlich geregelten Sonderfälle, die eine Ausnahme zum Grundsatz des § 167 II BGB normieren.


Ausnahme von der Formfreiheit der Vollmacht gemäß § 1945 BGB


§ 1945 BGB normiert die Form der Ausschlagung einer Erbschaft.

Die Ausschlagung einer Erbschaft erfolgt gemäß § 1945 I BGB durch Willenserklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Die Ausschlagungserklärung muss zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form im Sinne des § 129 BGB abgegeben werden.

Stellvertretung ist bei der Ausschlagung der Erbschaft zulässig. Ein Bevollmächtigter bedarf aber gemäß § 1945 III 1 BGB einer öffentlich beglaubigten Vollmacht im Sinne des § 129 BGB. Die öffentliche Beglaubigung gemäß § 129 BGB wird gemäß § 129 II BGB durch die notarielle Beurkundung im Sinne des § 128 BGB ersetzt.


Ausnahme von der Formfreiheit der Vollmacht gemäß § 2 II GmbHG


§ 2 GmbHG normiert die Form des Gesellschaftsvertrages der GmbH.

Gemäß § 2 I 1 GmbHG bedarf der Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer GmbH der notariellen Form im Sinne des § 128 BGB. Gemäß § 2 I 2 GmbHG ist der Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer GmbH von allen Gesellschaftern zu unterzeichnen.

Die Unterzeichnung durch Bevollmächtigte der Gesellschafter ist gemäß § 2 II GmbHG nur auf der Grundlage einer notariell errichteten oder beglaubigten Vollmacht zulässig.


Ausnahme von der Formfreiheit der Vollmacht gemäß § 492 IV BGB


§ 492 BGB normiert die Schriftform und den Vertragsinhalt beim Verbraucherdarlehensvertrag.

Verbraucherdarlehensverträge sind, soweit nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist, gemäß § 492 I 1 BGB schriftlich im Sinne des § 126 BGB abzuschließen. Dabei ist der Schriftform gemäß § 492 I 2 genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden. Die Willenserklärung des Darlehensgebers bedarf gemäß § 492 I 3 BGB keiner Unterzeichnung, wenn sie mit Hilfe einer automatischen Einrichtung erstellt wird.

Der Darlehensvertrag muss gemäß § 492 II BGB die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben gemäß Art. 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum BGB enthalten.

Gemäß § 492 IV 1 BGB gelten diese Vorschriften aus § 492 I, II BGB auch für die Vollmacht, die ein Darlehensnehmer seinem Stellvertreter zum Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages erteilt.

Als Ausnahme von der Ausnahme gilt gemäß § 492 IV 2 BGB für die Prozessvollmacht und eine notariell beurkundete Vollmacht.


Ausnahme von der Formfreiheit der Vollmacht gemäß § 134 AktG


§ 134 AktG normiert das Stimmrecht und die Ausübung des Stimmrechts der Aktionäre.

Das Stimmrecht der Aktionäre kann gemäß § 134 III 1 AktG durch einen Stellvertreter ausgeübt werden. Die Erteilung der Vollmacht, der Widerruf der Vollmacht sowie der Nachweis der Bevollmächtigung gegenüber der Aktiengesellschaft bedürfen gemäß § 134 III 3 BGB der Textform im Sinne des § 126b BGB, wenn in der Satzung der Gesellschaft oder in der Einberufung zur Hauptversammlung aufgrund einer Ermächtigung durch die Satzung nichts Abweichendes, und bei börsennotierten Aktiengesellschaften nicht eine Erleichterung, bestimmt wird.


Ausnahme von der Formfreiheit bei Übereilungsschutz


Unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen oder gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Form der Vollmacht wurden durch Rechtsprechung und Lehre Fallgruppen entwickelt, in denen es zum Zwecke des Übereilungsschutzes geboten erscheint, in Ausnahme vom Grundsatz des § 167 II BGB eine Formbedürftigkeit bezüglich der Vollmachtsform anzunehmen.

Dies gilt für diejenigen Fälle, in denen der eine Vollmacht Erteilende durch die Bevollmächtigung bereits faktisch an das noch vorzunehmende formbedürftige Stellvertretergeschäft gebunden ist.

Typischerweise liegt eine solche Bindungswirkung bei Erteilung einer unwiderruflichen Vollmacht vor.

Eine widerrufliche Vollmacht ist nur ausnahmsweise formbedürftig. Eine widerrufliche Vollmacht ist nur dann formbedürftig, wenn durch die Vollmachtserteilung eine tatsächliche oder rechtliche Bindung des Vollmachtgebers erzeugt wird.

Der Stellvertreter ist in solchen Fällen in der vorteilhaften Lage, von der Vollmacht jederzeit Gebrauch machen zu können. Damit kommt eine widerrufliche Vollmacht einer unwiderruflichen Vollmacht faktisch gleich.

Typische Fälle sind die Befreiung des Vertreters vom Verbot des Selbstkontrahierens oder Mehrfachkontrahierens gemäß § 181 BGB oder auch im Rahmen einer Generalvollmacht für sämtliche Rechtsgeschäfte. Solche Generalvollmachten werden beispielsweise im Krankheitsfalle ausgestellt, damit der handlungsunfähige Kranke weiterhin rechtsgeschäftlich durch seinen Stellvertreter handeln kann.

Zur dogmatischen Begründung des Formzwangs und damit der Ausnahme von § 167 II BGB wird auf eine teleologische Reduktion zurückgegriffen.

Über weitere besondere Stellvertretungskonstellationen können Sie sich in unserer Rubrik zum Stellvertretungsrecht HIER informieren.

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